Den Kulturwissenschaftler Professor Hartmut Böhme und den Künstler und Philosophen Thomas Feuerstein verbindet ihr umfassendes Interesse, Kunst und Kultur nicht nur als singuläre künstlerische Arbeits- und wissenschaftliche Forschungsfelder zu behandeln, sondern sie auch mit den Themen der Naturwissenschaft und Technikgeschichte zusammen zu bringen. In dieser Überschneidung entsteht eine Erweiterung der Begriffe Kunst und Kultur, die nicht zuletzt auch eine gemeinsame Skepsis an der Technikgläubigkeit unserer Gegenwart mitschwingen lässt.

Hartmut Böhme ist seit 1993 Professor für Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität, Berlin
und hält den Lehrstuhl für Kulturtheorie und Mentalitätsgeschichte. Seine wissenschaftlichen Forschungsgebiete sind so vielfältig, wie die Kulturwissenschaft selbst und reichen zeitlich von der Antike bis in die Gegenwart, er verhandelt Natur- und Technikgeschichte in den Überschneidungsfeldern von Philosophie, Kunst und Literatur sowie Historische Anthropologie und Psychohistorie, Wissenschafts- und Bildgeschichte. In seiner Publikation „Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne“ offenbart er den Objektfetischismus unserer Gegenwart als einen Kompensationsakt für den Zauber, den der nüchternen, von Vernunft und Wissenschaft bestimmten Moderne fehlen würde. So meint er, dass nichts falscher zu sein scheint als die „These von der Entzauberung der Welt“ und diagnostiziert: „würde man mit einem Schlag alle fetischistischen Formen in den modernen Gesellschaften abschaffen, so würden die Gesellschaften zusammenbrechen.“

Thomas Feuerstein, der Kunstgeschichte und Philosophie studierte, konzentriert sich bei seinen künstlerischen Arbeiten auf Themen des Zusammenlebens und der Gemeinschaftsbildung. Wie sich Gesellschaften strukturieren und wie die Wechselwirkungen zwischen Individualität und Sozietät verlaufen, sind Grundfragen seiner Kunst. Feuerstein operiert in seinen Installationen mit mythischen Gestalten, sozusagen Dämonen, der Wissenschafts- und Technikgeschichte. Seine großräumige Installation „Manna-Maschine“, die bis 11. November 2012 im Georg-Kolbe-Museum in der Ausstellung „Bios“ zu sehen ist, ist eine Zucht- und Kultivierungsmaschine eines der Lieblingsobjekte der Genetik: der Grünalge Chlorella vulgaris. Nach dem monatelangen Durchlaufen der Alge durch die verzweigten Schlauchgeflechte der Manna-Maschine entsteht im Ergebnis eine Art natürliches Pigment, mit dem Feuerstein monochrome Bilder malt. Das komplexe Zusammenspiel aus Anspielungen an die Themen Biowissenschaft, Recycling, Aspekte der Ethik und Gesellschaft, aber auch Formen der Kultur und Kultivierung, die letztlich in dem Konzentrat der Kunst enden, ist eine Qualität der Arbeiten Thomas Feuersteins, die weit über das künstlerische Objekt weiterdenken lässt.
The artist Thomas Feuerstein selects materials and objects in the fields of scientistic research. Organism like Clorella vulgarism (alga) or Drosophila melanogaster (vinegar fly) become part of laboratory experimental set-ups. They create organisms as an ironic and witty basis for installations and objects - like modern fetishes of genetic and biotechnology.

Modern fetishism - for the cultural theorist Prof. Hartmut Böhme object fetishism creates the magic that is missing in modern society, conditioned by rationality and science. The talk between Hartmut Böhme and Thomas Feuerstein takes place in the context of the exhibition BIOS (at Georg-Kolbe-Museum, Berlin, August 26 – November 11, 2012) and will be an approaching of different esthetically and (natural and cultural) scientific perspectives.